Was ist unter einer Abmahnung zu verstehen?
Bei einer Abmahnung handelt es sich quasi um die »gelbe Karte«, die der Chef einem Mitarbeiter zeigt, um diesen auf eine Pflichtverletzung am Arbeitsplatz aufmerksam zu machen und ihn aufzufordern, das vertragswidrige Verhalten abzustellen.
Die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Abmahnungsgründe sind: unerlaubte private Telefongespräche, unentschuldigtes Fehlen, häufiges Zusspätkommen, eigenmächtiger Urlaubsantritt bzw. -verlängerung, Trunkenheit während der Arbeit, Ausüben einer unerlaubten Nebentätigkeit, vorgetäuschte Krankheit, private Hobbys während der Arbeitszeit, Übertreten des Rauchverbots, Nichtbefolgen von Weisungen, schlechte Arbeitsleistung sowie Verstöße gegen die Arbeitsordnung.
In der Regel ist die Abmahnung die Vorstufe zur Kündigung und hat somit eine Warn- und Ankündigungsfunktion. Deshalb sollten Sie eine Abmahnung keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Allerdings ist nicht jede Ermahnung des Arbeitgebers als rechtswirksame Abmahnung anzusehen.
Wie muss eine rechtsgültige Abmahnung aussehen?
Eine Abmahnung kann sowohl schriftlich als auch mündlich erteilt werden. Aus Beweisgründen werden Arbeitnehmer aber im Regelfall schriftlich abgemahnt. Inhaltlich muss die Abmahnung folgende Kriterien erfüllen:
Sie muss das gerügte Fehlverhalten des Arbeitnehmers so genau wie möglich beschreiben, also z. B.: Am (Datum) sind Sie statt um 8.30 Uhr erst um 9.15 Uhr zur Arbeit erschienen. Zwei Tage darauf, am (Datum), haben Sie sich um 35 Minuten (Arbeitsaufnahme um 9.05 Uhr) verspätet und am (Datum) wiederum um 40 Minuten (Arbeitsbeginn um 9.10 Uhr).
Der Arbeitgeber muss den Mitarbeiter in der Abmahnung auffordern, sich künftig vertragsgemäß zu verhalten.
Außerdem muss dem Arbeitnehmer für den Fall einer Wiederholung des abgemahnten Fehlverhaltens die Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht werden.
Wichtig ist, dass die Abmahnung dem Mitarbeiter auch tatsächlich zugegangen sein muss, um ihre Rechtsgültigkeit zu entfalten. Der Beweis dafür obliegt dem Arbeitgeber. Durchschläge der Abmahnungen werden in der Regel in der Personalakte abgeheftet.
Welche Folgen hat eine Abmahnung?
Wiederholt sich das abgemahnte Fehlverhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen. Je nach Art der Vertragsverletzung kann der Chef eine ordent liche, fristlose oder auch eine so genannte Änderungskündigung aussprechen. Grundsätzlich ist vor jeder Kündigung (ordentliche oder fristlose) zumindest eine Abmahnung erforderlich. Handelt es sich allerdings um ein Fehlverhalten im Vertrauensbereich, also beispielsweise um einen Diebstahl oder eine andere kriminelle Handlung, so kann eine Kündigung auch ohne vorangegangene Abmahnung erfolgen.
Bei weniger schwerwiegenden Pflichtverletzungen (z. B. private Telefongespräche vom Arbeitsplatz aus) wird dagegen eine einzige Abmahnung vor der Kündigung nicht ausreichen. Ansonsten darf aber niemals wegen ein und desselben Vorfalls zunächst abgemahnt und anschließend gleich gekündigt werden. Der Arbeitnehmer muss nämlich grundsätzlich darauf vertrauen können, dass er noch eine Chance hat.
Wiederholt sich das abgemahnte Fehlverhalten oder kommen weitere, vergleichbare Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers hinzu (z. B. Verlassen des Arbeitsplatzes ohne vorherige Abmeldung, unterlassene Mitteilung der Arbeitsverhinderung), darf der Arbeitgeber für eine Kündigung auch auf bereits abgemahntes Verhalten zurückgreifen. Allerdings gilt dies zeitlich nicht unbegrenzt. In der Regel werden Abmahnungen nach etwa zwei Jahren wirkungslos. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten längere Zeit korrekt erfüllt oder der Arbeitgeber ähnliche Fehltritte bei anderen Mitarbeitern unbeanstandet hinnimmt.
Zu bedenken ist jedoch, dass sich Abmahnungen in der Personalakte durchaus negativ auf spätere Beurteilungen auswirken und so das berufliche Fortkommen behindern können. Deshalb sollten Abmahnungen grundsätzlich ernst genommen werden.
Wie können Sie sich gegen eine Abmahnung wehren?
Zunächst sollten Sie prüfen, ob die Abmahnung überhaupt berechtigt ist, das heißt, ob Sie sich tatsächlich in der gerügten Weise pflichtwidrig verhalten haben. Sollte dies nicht der Fall sein, können Sie verlangen, dass die Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird. Hierfür empfiehlt sich als erster Schritt ein persönliches Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten, in dem Sie ihm freundlich und sachlich Ihre Einwände gegen die Abmahnung darlegen.
Sollte der Chef nicht zu einer Rücknahme der Abmahnung bereit sein, bestünde für Sie theoretisch die Möglichkeit, vor dem Arbeitsgericht auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu klagen. Dieser Schritt wäre allerdings im Hinblick auf das Arbeitsklima bei Ihrem weiteren Verbleiben in der Firma äußerst schädlich. Deshalb sollten Sie besser eine Gegendarstellung verfassen, in der Sie den zu Unrecht abgemahnten Sachverhalt aus Ihrer Sicht richtig stellen. Diese Gegendarstellung sollten Sie Ihrer Personalakte hinzufügen, so dass Ihr Einwand zumindest dokumentiert ist.
In gleicher Weise sollten Sie verfahren, wenn die Abmahnung unrichtige Tatsachen, missbilligende Außerungen oder entstellende Beurteilungen enthält. Auf eine Berichtigung im Klagewege sollten Sie aus den zuvor genannten Gründen besser verzichten.
Ist die Abmahnung grundsätzlich zu Recht ergangen, ist eine Gegendarstellung ebenfalls empfehlenswert. Versuchen Sie dabei, möglichst stichhaltige Gründe für Ihr Fehlverhalten vorzubringen und machen Sie deutlich, dass es sich hierbei lediglich um eine Ausnahmesituation gehandelt hat, damit durch die Abmahnung nicht der Eindruck entsteht, Sie würden generell fehlerhaft arbeiten.
Achtung: Sollte die Abmahnung irgendeinen formalen Fehler enthalten, also beispielsweise das beanstandete Verhalten nicht konkret genug beschreiben (siehe oben), dürfen Sie Ihren Chef auf gar keinen Fall auf dieses Manko aufmerksam machen. Die Abmahnung wäre in einem solchen Fall nämlich nicht rechtswirksam und könnte daher auch keine Kündigung rechtfertigen.
Würde der Arbeitgeber aber von diesem Formfehler erfahren, hätte er die Möglichkeit, die Abmahnung nachträglich noch »wasserdicht« zu machen. Behalten Sie Ihr Wissen deshalb für sich und verhalten Sie sich trotzdem künftig vertragstreu. Dann sind Sie auf der sicheren Seite.
Wie verhalten Sie sich nach einer berechtigten Abmahnung richtig?
Da wegen der angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt mit Abmahnungen grundsätzlich nicht zu spaßen ist, sollten Sie nach einem solchen berechtigten Warnschuss alles daransetzen, um das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Chef wiederherzustellen. Verhalten Sie sich also fortan absolut korrekt in der Firma und zeigen Sie Engagement, dann wird Ihr Ausrutscher sicher bald vergessen sein.
Sie sollten allerdings tunlichst nicht versuchen, mit einer förmlichen Entschuldigung den abgemahnten Vorfall aus der Welt zu schaffen (Ausnahme: Sie haben den Chef oder einen Mitarbeiter in irgendeiner Form beleidigt oder verletzt). Wenn auf die Abmahnung eine Kündigung folgt, hätten Sie mit einer Entschuldigung die Berechtigung der Abmahnung anerkannt und damit Ihre Chancen in einem späteren Prozess vor dem Arbeitsgericht geschmälert.
Abmahnung — wichtige Urteile
Anhörung vor Abmahnung
Vor Abmahnungen, die zu der Personalakte genommen werden und daher für den Arbeitnehmer nachteilig sein können, muss der Arbeitgeber den Betroffenen zunächst anhören. Dieses folgt aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, der auch dafür Sorge tragen muss, dass durch die Personalakte ein richtiges Bild des Arbeitnehmers vermittelt wird. Unterbleibt die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers, ist die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.
ArbG Frankfurt/Oder, 7. 4. 1999 —AZ: 6 Ca 61/99
Zugang der Abmahnung
Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung ist, dass dem Arbeitnehmer zuvor mindestens eine einschlägige Abmahnung erteilt wurde. Der Arbeitgeber hat dabei im Streitfall nachzuweisen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch tatsächlich zugegangen ist. Eine Kündigung kann daher unwirksam sein, wenn die Abmahnung als unzustellbar zurückkommt, weil der Arbeitnehmer inzwischen umgezogen war.
LAG Berlin, 15. 9. 1995 — AZ: 2 Sa 13/95
Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte
Ein Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Unrecht ausgesprochenen Abmahnung aus der Personalakte auch noch nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb verlangen. Das Bundesarbeitsgericht begründete diesen Rechtsanspruch damit, dass sich auch noch zu diesem Zeitpunkt eine solche unberechtigte Abmahnung unter Umständen nachteilig für den betroffenen Arbeitnehmer auswirken könne, so beispielsweise bei der Zeugniserteilung oder wenn künftige Arbeitgeber bei dem alten Arbeitgeber Auskünfte über den Arbeitnehmer einholen. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Personalakte und damit die Abmahnung weiteren Personen zugänglich gemacht wird, wodurch die Ehre des früheren Mitarbeiters verletzt werden könne.
BAG, 14. 9. 1994 — AZ: 5 AZR 632/93