Agency-Theorie

Unter den Begriffen Agency-Theorie oder Prinzipal-Agenten-Beziehung werden mikroökonomische Modelle subsumiert, die im wesentlichen eine Delegation beschreiben. Eine Person oder Partei, der Prinzipal, betraut die andere Person oder Partei, den Agenten, mit einer Aufgabe. Dabei kann der Prinzipal den Agenten nur unvollständig kontrollieren. Gesucht ist eine Entgeltstruktur oder eine Form der Ergebnisbeteiligung, damit sich der Agent aus eigenem Interesse in einer Weise verhält, die den Zielen und Wünschen des Prinzipals möglichst weit entgegenkommt.

Um die Delegation zu untersuchen, wurden mikroökonomische Modelle gebildet. Früher wurde unterstellt, daß der Auftraggeber vollständige Information über alle Handlungen des Auftragnehmers hat oder sich diese leicht beschaffen kann, beispielsweise durch entsprechende Kontrollen oder durch eine detaillierte Berichterstattung. Dann könnten direkt Niveau und Art von Anstrengung und Einsatz des Agenten zum Gegenstand eines Vertrags gemacht werden.

Agent und Prinzipal könnten Leistung und Gegenleistung frei vereinbaren. In der Realität ist die Annahme vollständiger Information selten gegeben. Etwa seit fünfundzwanzig Jahren werden deshalb mikroökonomische Modelle gebildet, bei denen die eine Partei (Auftraggeber, Prinzipal) weder alle Handlungen, noch die Anstrengung oder Qualifikation der anderen Partei (Auftragnehmer, Agent) kostenlos beobachten kann.

Der Agent verfügt über einen Handlungsspielraum, den der Prinzipal nicht überblicken kann. Weil selbst im Nachhinein das Verhalten und der Einsatz des Agenten nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ist es unmöglich, es zum Vertragsinhalt zu machen. Die Besonderheit bei der Agency-Theorie ist also die asymmetrische Information. Der Prinzipal kann selbst im nachhinein nicht genau feststellen, wie stark sich der Agent bei der Aufgabenerfüllung wirklich eingesetzt oder angestrengt hat.

· Der Agent hat einen diskretionären Handlungsspielraum, und der Prinzipal kann selbst ex post nicht detailliert alle Aktionen des Agenten prüfen. Einmal wird es unmöglich sein, die Absicht und den wirklichen Einsatz zu messen, andererseits verursachen die Prüfungen Kosten.

· Der Agent jedoch hat eigene Ziele, beispielsweise schätzt er Bequemlichkeit und spürt die individuellen Kosten vermehrter Anstrengung. Der Agent wird sich daher im Rahmen seines diskretionären Handlungsspielraums in einer Weise verhalten, die nicht unbedingt mit den Zielen des Prinzipals harmonieren muß.

· Der Prinzipal möchte die Entlohnungsstruktur so gestalten, daß sich der Agent, nun im eigenen Interesse, für etwas einsetzt, das den Zielen des Prinzipals entgegen kommt.

Zu den Anwendungen der Agency-Theorie gehört die Beziehung zwischen den Aktionären (als Prinzipal) und dem Chief-Executive-Officer als Agent) einer Aktiengesellschaft.

Die Agency-Theorie unterstellt nicht, Manager wollten ihren Arbeitseinsatz heimlich reduzieren, um mehr Freizeit zu haben. Jeder wird beipflichten, daß Top-Manager unter Vernachlässigung von Gesundheit und Familie Tag und Nacht für die Firma da sind. Doch können Top-Manager wesentliche Entscheidungen wie Großinvestitionen und Akquisitionen gegenüber den Aktionären so darstellen, daß offen bleibt, in welchem Umfang Streben nach Wertschaffung und in welchem Umfang vielleicht Egozentrik und der Wunsch zum Empire Building leitet.

Gerade bei Akquisitionen kann das Verhalten der Manager-Agenten zum Nachteil der Aktionärs-Prinzipale gehen. Oft ist die Verzerrung — weg von der „reinen“ Wertorientierung hin zur persönlichen „Präferenz“ — den Top-Managern nicht einmal voll bewußt. Damit ein Top-Manager kraftvoll führen und überzeugen kann, muß er oder sie Selbstüberzeugung mitbringen. Aus diesem Grund gibt es Aufsichtsgremien, die eher den Part der kritischen und distanzierten Kontrolle ausüben. Empire Building ist nicht nur Ausdruck selbstbewußter Chefs, sondern Zeichen unzureichender Kontrolle seitens des Board und falscher Incentives.

Natürlich gibt es auch umgekehrt gerichtete Agency-Beziehungen, etwa in dem Sinn, daß sich die Manager als „abhängig“ von allen oder einzelnen Eigenkapitalgebern fühlen und sich fragen, was sie tun können, um die Aktionäre zu mehr Treue zum Unternehmen bewegen zu können. In diesem Fall wären die Manager die Prinzipale und die Aktionäre die Agenten.

In einer Kooperation des wirklichen Lebens bezieht sich die Zusammenarbeit zwischen zwei Parteien auf mehrere Dimensionen, und die asymmetrische Information kann bei einigen dieser Dimensionen in der einen, bei anderen in umgekehrter Richtung bestehen. Die beschriebenen Ansätze haben große praktische Bedeutung für das Wertsteigerungs-Management. Die Empfehlung lautet, für geeignete Motivation zu sorgen und in der Organisation zu versuchen, Verluste aufgrund asymmetrischer Informationsverteilung zu vermeiden.


War die Erklärung zu "Agency-Theorie" hilfreich? Jetzt bewerten:

Weitere Erklärungen zu