Wann besteht ein Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?
Gemäß § 630 Bürgerliches Gesetzbuch hat jeder Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein Zeugnis. Der Arbeitgeber muss Ihnen das Zeugnis spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw bei Zugang der außerordentlichen Kündigung aushändigen bzw. zusenden.
Beabsichtigen Sie, sich bereits vor Ende der Kündigungsfrist bei einem neuen Arbeitgeber zu bewerben — was wohl der Normalfall sein wird — muss Ihnen der Chef auf Wunsch auch ein so genanntes Zwischenzeugnis ausstellen.
Welche Zeugnisarten gibt es?
Es gibt zwei verschiedene Arten von Arbeitszeugnissen, das einfache und das qualifizierte Zeugnis:
Im einfachen Zeugnis muss lediglich die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses dargestellt sein. Dabei müssen die Aufgaben und Tätigkeiten des Arbeitnehmers so vollständig und genau wie möglich beschrieben werden, damit sich künftige Arbeitgeber hierüber ein klares Bild machen können. In dem Zeugnis sind außerdem besondere Befugnisse oder Qualifikationen anzumerken.
Im qualifizierten Zeugnis muss der Arbeitgeber zusätzlich zu der Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses auch auf die Leistung und Führung des Arbeitnehmers eingehen. Zur»Leistung« gehören alle Arbeitsergebnisse, wobei man sich auf die zu Grunde liegende Aufgabenstellung und deren Anforderungen bezieht. Im Einzelnen können dabei u. a. das körperliche und geistige Leistungsvermögen, Fachkenntnisse, die Arbeitsbereitschaft, das Ausdrucksvermögen, das Verantwortungsbewusstsein oder die Entscheidungsfähigkeit bewertet werden. Die »Führung« beinhaltet u. a. das Sozialverhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, nachgeordneten Mitarbeitern und Dritten, vor allem natürlich Kunden und Lieferanten sowie die Einhaltung der betrieblichen Ordnung.
Welche Anforderungen muss das Zeugnis erfüllen?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Zeugnis wahrheitsgemäß, aber auch wohlwollend auszustellen. Das bedeutet, dass nicht jede kleine Dienstverfehlung in das Zeugnis gehört, insbesondere dann nicht, wenn es sich lediglich um einen einmaligen Vorfall handelte
Beim Verfassen des Zeugnisses hat sich der Chef zwar auf das Wesentliche zu beschränken, doch darf es deshalb nicht zu knapp ausfallen. Ein aussagekräftiges Zeugnis ist im Durchschnitt ein bis zwei Schreibmaschinenseiten lang. Der nächste Arbeitgeber soll schließlich ein umfassendes Bild über Ihre Leistung und Ihre Persönlichkeit erhalten.
Das Zeugnis darf keine Informationen oder Werturteile enthalten, die Ihnen den weiteren Lebensweg unnötig erschweren. Deshalb dürfen auf keinen Fall Hinweise enthalten sein, durch die ein Arbeitnehmer negativ abgestempelt wird. Dennoch existiert bekanntermaßen eine »Zeugnissprache«, die verschlüsselte Bewertungen der Arbeitnehmer enthält. Die nachfolgenden Formulierungen sind Beispiele, die bereits gerichtlich als unzulässig beanstandet wurden:
· Er war tüchtig und in der Lage, seine eigene Meinung zu vertreten.« Bedeutung: Er hatte eine hohe Meinung von sich und konnte daher keine Sachkritik vertragen.
· Er verfügte über Fachwissen und hatte ein gesundes Selbstvertrauen.« Bedeutung: Er klopfte große Sprüche, um mangelndes Fachwissen zu überspielen.
· Er war sehr tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen.« Bedeutung: Er ist ein unangenehmer Zeitgenosse und Wichtigtuer, dem es an Kooperationsbereitschaft fehlt.
Im Buchhandel gibt es eine Reihe von Ratgebern, mit deren Hilfe Sie die Zeugnissprache entschlüsseln können. Auch bei Ihrer Gewerkschaft erhalten Sie entsprechende Informationsbroschüren.
Als Faustregel gilt: Ein wirklich gutes Zeugnis erkennt man daran, dass es die Leistung und die Führung des Arbeitnehmers — beinahe schon in peinlicher Weise — überschwänglich lobt. Hat ein Arbeitnehmer eine sehr gute Leistung erbracht, so wird häufig folgende Formulierung gewählt: »Er hat seine Aufgaben zu unserer vollsten Zufriedenheit erbracht.« Handelte es sich dagegen lediglich um eine »gute Leistung«, dann lautet die Formulierung »zu unserer vollen Zufriedenheit«. War die erbrachte Leistung eher durchschnittlich, aber noch brauchbar, dann heißt es »zu unserer Zufriedenheit«. Bei einer ungenügenden Leistung schreibt der Chef dann meistens: »Er hat sich bemüht, die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erfüllen.«
Eine Abqualifizierung des Arbeitnehmers liegt vor, wenn wesentliche Eigenschaften einer Berufsgruppe überhaupt nicht im Zeugnis erwähnt werden, wie beispielsweise die Ehrlichkeit einer Kassiererin oder die Korrektheit eines Prokuristen.
Wenn Sie die Stelle selbst gekündigt haben, dann muss das aus dem Zeugnis eindeutig hervorgehen. Dabei sollte der Arbeitgeber gleichzeitig sein Bedauern über Ihr Ausscheiden aus der Firma aussprechen und Ihnen selbstverständlich für Ihren weiteren beruflichen und privaten Weg weiterhin viel Erfolg wünschen.
Das Zeugnis muss auf — sauberem — Firmen-Briefpapier gedruckt oder mit Maschine geschrieben sein. Der Text darf keine orthografischen Fehler aufweisen. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf das Zeugnis gefaltet in einem Briefumschlag übersandt oder dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer ausgehändigt werden.
Ausstellen darf ein Zeugnis entweder der Arbeitgeber bzw sein gesetzlicher Vertreter (bei einer GmbH beispielsweise der Geschäftsführer) oder ein hochrangiger Mitarbeiter (z. B. der Leiter der Personalabteilung). Das Zeugnis ist auch zu unterschreiben. Das Zeugnis muss mit einem Datum versehen sein. Wurde es erst nach einem arbeitsgerichtlichen Prozess ausgestellt oder musste es korrigiert werden, dann ist es auf den Tag des Ausscheidens des Mitarbeiters zurückzudatieren.
Da ein Zeugnis also nicht immer einfach zu »lesen« ist, empfiehlt es sich, es von einem Fachkundigen (Gewerkschaftssekretär oder Anwalt) auf die tatsächliche Beurteilung überprüfen zu lassen. Schließlich spielt das Zeugnis in der arbeitsrechtlichen Praxis eine wichtige Rolle.
Wie kann man sich gegen ein nicht korrektes Zeugnis wehren?
Entspricht das Zeugnis nicht Ihren Vorstellungen, sollten Sie zunächst Ihren Arbeitgeber darauf ansprechen und um eine Korrektur der von Ihnen beanstandeten Formulierungen bitten. Kommt Ihr Arbeitgeber Ihrem Wunsch nicht nach, können Sie innerhalb von sechs Wochen nach Zeugniserteilung vor dem Arbeitsgericht eine so genannte Berichtigungsklage einreichen.
Wenn Sie den Prozess gewinnen, wird der Arbeitgeber verurteilt, Ihnen ein neues, besseres Zeugnis auszustellen. Obwohl der Arbeitgeber in einem solchen Prozess die Beweislast für seine negativen Beurteilungen trägt, sollten Sie sich dennoch besser durch einen Anwalt oder einen Rechtssekretär Ihrer Gewerkschaft vertreten lassen.
Sofern Sie durch den wahrheitswidrigen Inhalt eines Zeugnisses geschädigt wurden, haben Sie außerdem einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber. Das kann z. B. der Fall sein, wenn Sie auf Grund einer verschlüsselten schlechten Beurteilung in Ihrem Zeugnis, die Ihnen persönlich gar nicht aufgefallen ist, eine oder mehrere andere Arbeitsstellen nicht bekommen haben.
Sollte Ihr Arbeitgeber sich weigern, Ihnen ein Zeugnis auszustellen, können Sie dies ebenfalls bei Ihrem zuständigen Arbeitsgericht einklagen.
Zeugnis — wichtige Urteile
Zeugnis nach Rechtsstreit
Auch wenn das Arbeitsverhältnis nach einem Rechtsstreit vor Gericht beendet wurde, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein faires Zeugnis auszustellen.
EuGH — AZ: C-184/97
Zeugnisinhalt formulieren
Verlangt ein Arbeitnehmer im Wege einer Klage vor dem Arbeitsgericht einen bestimmten Zeugnisinhalt, dann muss er genau angeben, was in welcher Form im Zeugnis enthalten sein soll. Anderenfalls könnte es Probleme bei der späteren Vollstreckung des Urteils geben.
BAG, 14. 3. 2000 — AZ: 9 AZR 246/99
Richtige Unterschrift erforderlich
Wurde ein in Maschinenschrift gefertigtes Arbeitszeugnis mit dem Namen des Ausstellers und seiner Funktion beendet, dann muss das Zeugnis auch noch von diesem persönlich unterzeichnet werden.
BAG, 21. 9. 1999 — AZ: 9 AZR 893/98