Balanced Chance and Risk Management (BCR-Management) – Die Chancen und Risiken des Unternehmensgeschehens sind zentrales Steuerungsobjekt des strategischen und operativen Managements. Zu ihrer Identifikation, Beurteilung, der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen und der Entscheidungsfindung bedürfen sie eines Instrumentariums, welches eine Operationalisierung mit dem Ziel einer an den Unternehmenszielen und der Strategie orientierten Einflussnahme ermöglicht. Die Konzeption des Balanced Chance and Risk Managements systematisiert den Zusammenhang von Unternehmenszielen, Chancen und Risiken, um diese mit Hilfe von Kennzahlen mess- und steuerbar zu machen.
Dazu verbindet das BCR-Management strategisches und operatives Management sowie Risikomanagement, indem es den Ansatz der Balanced Scorecard durch eine Integration von Risikobetrachtungen erweitert. Die Kategorisierung chancen- und risikorelevanter Faktoren erfolgt anhand von Erfolgsfaktoren anstelle von Perspektiven. Im Unterschied zur Balanced Scorecard nimmt das BCR-Management eine zweigeteilte Betrachtung der Erfolgsfaktoren vor, die in der Definition entsprechender Kennzahlen für einerseits Chancen- und andererseits Risikoaspekte münden, die den Betrachtungsgegenstand der Risk-Card des BCR-Managements darstellen. Chancen gehen dabei immer von einem der Erfolgsfaktoren aus.
Risiken lassen sich grundsätzlich ebenfalls an die Erfolgsfaktoren knüpfen und können zusätzlich aus Ereignissen und Handlungen im Umfeld des Unternehmens resultieren (Risikoarten). Im Hinblick auf die risikoorientierte Steuerung strategischer Erfolgspotenziale wird daher an dieser Stelle eine Unterscheidung von Risiken nach der Lokalisierung der ursächlichen Handlungen oder Ereignisse getroffen. Risiken sind demnach in endogene und exogene Risiken zu unterscheiden.
Zur Berücksichtigung dessen verfügt die Risikobetrachtung des BCR-Managements über den zusätzlichen Erfolgsfaktor „Unternehmensumfeld“, dem solcherart Risiken zuzuordnen sind.
Aufgrund seiner Bedeutung als Schwerpunkt unternehmerischer Zielsysteme bildet die Betrachtung des Unternehmenswertes den Ausgangspunkt des Balanced Chance and Risk Managements. Mit dem Ziel der Ableitung zusätzlicher steuerungsrelevanter Erkenntnisse erfolgt die Messung des Shareholder Value (Shareholder Value-Konzept) anhand dreier verschiedener Kennzahlen, dem Discounted Cash Flow (DCF), Economic Value Added (EVA) und Market Value Added (MVA) und deren Relation zueinander. Aus der Beobachtung dieser Wertmaßstäbe und ihrer Relation zueinander lassen sich Aussagen über die Angemessenheit der Bewertung des Unternehmens an der Börse und daraus ggf. resultierende Übernahmegefahren treffen.
Die für den Unternehmenswert und seine Entwicklung ursächlichen Faktoren sind in den Strategischen Erfolgsfaktoren zu finden. Finanzen, Kunden/Absatzmarkt, Produkt, Leistungserstellung/Produktionslogistik und Personal stellen eine repräsentative Auswahl von Erfolgsfaktoren dar und ersetzen die Perspektiven des Grundmodells der Balanced Scorecard. Auswahl und Anzahl unternehmenswertbestimmender Erfolgsfaktoren sind branchen-, strategie- und unternehmensspezifisch und daher in der gewählten Darstellung beispielhaft.
Finanzielle Aspekte strategischer und operativer Entscheidungen sind für das Management von Chancen und Risiken in zweierlei Hinsicht bedeutsam. Einerseits bilden finanzielle Mess- und Zielgrößen die Wirkung jeglicher Maßnahmen zur Gestaltung der übrigen Erfolgsfaktoren im Hinblick auf den Unternehmenswert ab und besitzen daher zunächst derivativen Charakter. Andererseits stellen Finanzen einen autonomen Handlungsbereich dar, der auch an und für sich Chancen und Risiken birgt, die beispielsweise infolge von Zins- und Währungskursänderungen oder als Kursrisiken aus Warentermingeschäften auftreten.
Der Erfolgsfaktor Kunden/Absatzmarkt beschreibt die Chancen und Risiken, wie sie sich. i.V.m. einzelnen Geschäftsfeldern und aus speziellen Merkmalen einzelner Kundensegmente ergeben. Mit einem Engagement in einer bislang nicht erschlossenen Region könnten besondere Chancen in Form eines profitablen Auftrages oder der Erschließung eines zusätzlichen Marktes, ebenso allerdings auch besondere Risiken verbunden sein, die als unverhältnismäßig hohe Schadenersatzforderungen, beispielsweise aus US-amerikanischer Produkthaftung, in Erscheinung treten können. Weitere mögliche Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung im Bereich Kunden/Absatz-markt sind „Umsatz mit Neukunden“ und „Umsatz mit Key Account-Kunden“ „Umsatz mit Produkten < 1 Jahr", und „F&E-Quote".
Chancen eines Produktes ergeben sich aus den Merkmalen, die es von denjenigen der Wettbewerber unterscheidet. Der Erfolg eines Produktes oder einer Dienstleistung ist i.d.R. darauf zurückzuführen, dass es die vom Abnehmer gewünschten Eigenschaften trifft. Mit Hilfe einer Analyse, die den voraussichtlichen Marktanteil und das Marktwachstum eines Produktes bewertet, lassen sich die Chancen des Unternehmens einschätzen. Risiken entstehen aus Produktmerkmalen, die beispielsweise zu einem Verbot aufgrund von Umweltvorschriften führen, wie es für die Erzeugung von Energie durch Kernkraftwerke oder die Einfuhr von Rindfleisch aus bestimmten Herkunftsländern der Fall sein könnte.
Der Erfolgsfaktor Leistungserstellung/Produktionslogistik beschreibt die Chancen und Risiken, wie sie sich aus den Leistungserstellungs- bzw. Produktionspotenzialen und -prozessen des Unternehmens ergeben. Betrachtungsgegenstand sind damit einerseits Betriebsmittel, deren Chancen und Risiken in ihrer Qualität, technologischen Aktualität, Ausfallsicherheit und Wirtschaftlichkeit begründet sind. Andererseits resultieren Chancen und Risiken aus der Ausgestaltung von Leistungserstellungsprozessen in beispielsweise Beschaffung, Produktion oder Logistik, die ebenfalls Kostensenkungspotenziale bergen oder zur erhöhten Ausfallsicherheit beitragen können.
Risiken im Leistungserstellungsprozess wirken sich typischerweise in einer Unterbrechung oder Verzögerung aus. Typische Ursachen exogener Natur sind transportmittelbedingte Verzögerungen, Unterbrechungen, Verbote oder die Unterbrechung der fertigungslogistischen Kette durch den Ausfall eines Zulieferers. Aber auch der Ablauf von Patenten ist denkbar, der die angewandten Fertigungsverfahren schützt, so dass potenzielle Konkurrenten diese ohne Zahlung von Lizenzen kostengünstiger imitieren können. Chancen und Risiken des Erfolgsfaktors Personal zählen zu den meist nur qualitativ beschreibbaren Potenzialen und kommen in Größen wie dem Qualifikationsgrad, der Mitarbeiterzufriedenheit, ihrer Motivation oder Fluktuation zum Ausdruck. Chancen und Risiken lassen sich dementsprechend aus qualitativen Merkmalen ableiten, die als Anforderungsprofil des Unternehmens an sein Mitarbeiter den tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten gegenüberstehen.
Das Unternehmensumfeld wird als zusätzlicher Erfolgsfaktor lediglich in die Risk-Card des BCR-Managements aufgenommen, um die Bewältigung exogener Risiken zu ermöglichen. Handlungen und Ereignisse außerhalb des Unternehmens, die auf die Zielgrößen und Erfolgsfaktoren wirken, jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den übrigen Erfolgsfaktoren stehen, stellen den Betrachtungsgegenstand dieses Bereiches dar und sind mit den Methoden des Risikomanagements zu beobachten und in ihren Konsequenzen für das Unternehmen zu steuern. Denn gerade die Risiken des Unternehmensumfelds können existenzbedrohende Ausmaße annehmen.
Wie auch im Modell der Balanced Scorecard bestehen Wirkungszusammenhänge zwischen den Erfolgspotenzialen des BCR-Managements und den formulierten Strategien, Zielen, Aufgaben und Instrumenten. So ist davon auszugehen, dass ein wettbewerbsgerecht gestaltetes Produkt die Nachfrage der Kunden und Absatzmärkte erfolgreich befriedigt. Die Nutzung eines Maschinenparks, der dem Stand der Technik entspricht und in effizienten Prozessen organisiert ist, wird der Motivation der Mitarbeiter und damit mittelbar der Qualität des Produktes und ggf. damit verbundener Dienstleistungen förderlich sein. Das wird sich schließlich in einem positiven finanziellen Ergebnis niederschlagen.
Die Umsetzung von Strategien vollzieht sich in einem Regelkreis, der die beschriebenen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen Erfolgspotenzialen nutzt. Zwischen Strategie, Zielen, Chancen, Risiken, Kennzahlen und Maßnahmen vollzieht sich der Regelkreis des Controlling. Bei Feststellung einer Abweichung durch das Instrumentarium wird eine Gegensteuerungsmaßnahme eingeleitet. Die Funktionsweise dieser stufenweisen Konkretisierung der Strategie findet in gleicher Weise wie im Grundmodell der Balanced Scorecard Anwendung. Im Balanced Chance and Risk Management werden die strategischen Ziele als Ausgangspunkt der Operationalisierung jedoch nach Chancen- und Risiken unterschieden.