Einführung
Die Logistik verknüpft klassische Unternehmensfunktionen wie Entwicklung, Produktion, Vertrieb und andere. Von den Logistikern werden ausgefeilte, flußorientierte Verfahren und Instrumente entwickelt, die heute massiv zum Einsatz kommen und ständig weiter angepaßt werden. Wegen der wachsenden Bedeutung der Logistik ist ihr Aufgabenumfang in der Vergangenheit kontinuierlich gewachsen.
Die Integration neuer Aufgabenbereiche unterstreicht die Bedeutung der Logistik als strategisches Instrument der Unternehmensführung und verbessert die Effizienz des Nahtstellenmanagements. Das ist eines der Ergebnisse der größten deutschen Untersuchung zu Trends und Strategien in der Logistik. Diese Untersuchung umfaßt über 4.000 Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Handel und Logistik-Dienstleistung. Die aus der Untersuchung mit hohem Rücklauf (16 Prozent) resultierenden Daten wurden analysiert und zur Trenderkennung ausgewertet (Baumgarten 1996).
Trotz wachsender Leistungsumfänge lässt sich durch permanente Prozessoptimierung der Anteil der Logistikkosten an den Gesamtunternehmenskosten weiter reduzieren. In der Industrie wurden bereits in der Vergangenheit weitreichende Optimierungspotentiale genutzt. Eine weitere Reduzierung des Logistikkostenanteils ist daher zukünftig nur begrenzt möglich. Im Handel existieren noch weiterreichende Optimierungspotentiale.
Logistik-Basisstrategien
Der Erfolg logistisch führender Unternehmen lässt sich über Jahre nachvollziehen. Trotz wechselnder Märkte und bei veränderten Konkurrenzsituationen sind Unternehmen, die ihre Leistungsketten auf Service, Qualität und Kosten konzentrieren, langfristig erfolgreich. Vielfältige Praxiserfahrungen in der deutschen und europäischen Wirtschaft wie auch breit angelegte vergleichende empirische Untersuchungen (ELA 1997, Baumgarten 1996) ermöglichen es, für die Logistik relevante Trends zu ermitteln und daraus Unternehmensstrategien abzuleiten.
Kundenorientierte Prozesskettengestaltung
Wertschöpfungspartnerschaft
Die Konzentration auf die zentralen Wertschöpfungsprozesse ermöglicht auch weiterhin deutliche Reduktionen der Fertigungs- und Wertschöpfungstiefe in deutschen und europäischen Unternehmen. Die gesamte Leistungserstellung im Unternehmen wird auf die Prozesse fokussiert, in denen Prozess-, Produkt- oder Technologievorsprünge vor der Konkurrenz existieren. Gründe für die Reduktion der Fertigungstiefe sind primär die Verbesserung der Kostenposition, die Nutzung des Lieferanten-Know-hows und die Steigerung der Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit.
Die Verringerung der Fertigungstiefe für die großen Industrieunternehmen der wichtigsten Branchen von heute 52 Prozent auf 41 Prozent im Jahr 2000 stellt neue Aufgaben an die Logistik. Die Logistik wird durch den steigenden Buy-Anteil und komplexe Beschaffungsvorgänge für hochwertige Systeme zum entscheidenden Steuerungsinstrument. Die Neugestaltung der Supply Chain vom Vorlieferanten bis zum Hersteller bei reduzierter Fertigungstiefe ermöglicht den Übergang von der Plandisposition zu einer kundenbedarfsorientierten Planung und Beschaffung.
Die Erhöhung des Fremdbezuganteils führt insgesamt zu einer Komplexitätssteigerung der Logistik. Diese Komplexitätssteigerung lässt sich durch Integration von Logistik-Dienstleistern und Neuaufteilung der Logistik-Aufgaben zwischen Lieferanten und Abnehmern gezielt abfangen. So wird verhindert, dass Kostensenkungen bei reduzierter Fertigungstiefe durch steigende Logistiktiefe mit höheren Kosten im Logistikbereich ganz oder teilweise neutralisiert werden.
Die Integration von Logistik-Dienstleistern als Wertschöpfungspartner führt zu steigenden Anteilen der externen Logistikkosten an den gesamten Logistikkosten. In der Industrie steigt dieser Anteil der Logistikkosten, der für externe Dienstleister aufgewendet wird, von heute 27 Prozent auf 36 Prozent im Jahr 2000. Für die Logistik-Dienstleister entstehen durch das Outsourcing von Logistik-Leistungen bei Industrie- und Handelsunternehmen also neue Geschäftsfelder.
Globalisierung
Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen haben erkannt, dass sie mit einer rein auf den europäischen oder gar nur auf den nationalen Markt ausgerichteten Logistik das langfristige Überleben des Unternehmens nicht sicherstellen können. Heute ist bereits die Hälfte der Großunternehmen weltweit präsent. Zukünftig richtet auch fast ein Drittel der Unternehmen mit unter 500 Beschäftigten die Distribution auf den Weltmarkt aus.
Eine weltweite Ausrichtung der Distribution ist in vielen Fällen nur der erste Schritt zu einer nachhaltigen Gestaltung der internationalen Präsenz. Internationale Märkte lassen sich in vielen Fällen besser erobern, wenn auch Produktionsstandorte in Kundennähe errichtet werden. Die teilweise Verlagerung von Produktionsstandorten und die logistische Koordination im internationalen Produktionsverbund schaffen Möglichkeiten, Kostenvorteile zu realisieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die globale Dezentralisierung der Produktionsunternehmen und die Verknüpfung durch Dienstleister erhöhen zudem die Flexibilität und steigern die Unabhängigkeit von Währungsschwankungen.
Auch die Logistik-Dienstleister passen ihre Systeme an. Globale Produktionsnetze existieren bislang primär bei den großen KEP-Dienstleistern, die im 48-Stunden-Rhythmus beliebige weltweite Relationen bedienen. Bei Systemdienstleistern dagegen herrschen aufwendige ad-hoc-Lösungen für kundenspezifische Probleme vor; für den Strukturaufbau wird noch zuwenig getan.
Standard-Prozessetten, ursprünglich für die Logistik der Industrie entwickelt, bieten hier Chancen zum zeit- und kostenoptimierten Neuaufbau. Durch den Übergang auf eine weltweite Beschaffung können die Unternehmen nicht nur von teilweise deutlich günstigeren Einkaufspreisen profitieren, sondern auch Innovationen aus anderen Wirtschaftsregionen schnell in das eigene Endprodukt integrieren. Im Jahr 2000 werden die deutschen Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen nur noch 54 Prozent statt heute 63 Prozent des wertmäßigen Beschaffungsvolumens aus Deutschland beziehen.
Die globale Beschaffung stellt neue Anforderungen an die Logistik, sowohl was die Gestaltung effizienter und schneller Transportketten über große Entfernungen als auch was die organisatorische und informatorische Anbindung der Lieferanten anbelangt.
Einsatz von Informations- und Kommunikationssystemen
Die Informationsbereitschaft gewinnt als Differenzierungskriterium am Markt immer mehr an Bedeutung. Informationsbereiten Unternehmen eröffnen sich neue Markt- und Kundenpotentiale. Informations- und Kommunikationssysteme ermöglichen es, Logistikprozessketten transparent, sicher und schnell zu gestalten und so dem wachsenden Informationsbedürfnis Rechnung zu tragen.
Die europäischen Unternehmen haben die Bedeutung der Informations- und Kommunikationssysteme für die Logistik erkannt. Etwa ein Drittel der Unternehmen zählt das Management von Informations- und Kommunikationssystemen zu den Logistikfunktionen.
Die durchgängige Informationsübermittlung zwischen Kunden und Lieferanten ermöglicht ein effizientes Nahtstellenmanagement. Ein wichtiges Instrument zur Informationsübermittlung ist der elektronische Datenaustausch (EDI). Die Nutzung des elektronischen Datenaustausches, die viele Jahre hinter den Erwartungen zurückblieb, hat europaweit zugenommen.
Heute nutzt bereits etwa ein Drittel der Unternehmen in Europa EDIFACT für den elektronischen Datenaustausch. Im Jahr 2000 wollen 56 Prozent der Unternehmen EDIFACT einsetzen. Über 60 Prozent der EDI-Anwendungen werden in Europa zukünftig auf EDIFACT entfallen. Branchenspezifische Protokolle verlieren demgegenüber stark an Bedeutung. Vorreiter bei der EDI-Nutzung sind Deutschland, England und die skandinavischen Länder.
Das Internet als weltweites Kommunikationsnetz mit einheitlichen Standards schafft nicht nur neue Möglichkeiten der Kundenansprache, sondern revolutioniert die Kommunikation innerhalb und zwischen den Unternehmen. Der Schaffung überbetrieblicher Informations- und Kommunikationssysteme kommt in vielen Bereichen eine entscheidende Bedeutung zu, da sich nur so Lieferantennetzwerke und Kooperationen steuern und managen lassen.
Etwa 21 Prozent der europäischen Unternehmen sind bereits mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten. Aber nur 2,5 Prozent nutzen das Internet auch zum Verkauf oder zur Auftragsabwicklung. Vorreiter bei der Internet-Nutzung sind die osteuropäischen, skandinavischen und deutschen Unternehmen. 32 Prozent der deutschen Unternehmen sind bereits im Internet vertreten. 5 Prozent der deutschen Unternehmen nutzen das Internet als Verkaufsmedium.
Ausblick
Bei Konzentration der Unternehmen auf die wertschöpfungsrelevanten Kernprozesse kann Logistik effizienzverbessernd wirken. Die gesteigerte Bedeutung der Logistik drückt sich dabei nicht nur in einer Erweiterung des Aufgabenumfanges, sondern auch in wachsender Bedeutung von logistischen Leistungskriterien für den Gesamterfolg des Unternehmens aus. Die Potentiale der Logistik zur konsequenten Kundenausrichtung des gesamten Unternehmens entlang durchgängiger Prozesse sind dabei noch lange nicht ausgeschöpft.
Weitere Quantensprünge in der Leistungsfähigkeit aller Unternehmensprozesse sowie in deren Kostenbeeinflussung sind erst dann zu erreichen, wenn mit logistischen Strategien und Instrumenten nicht nur die Abwicklungsprozesse gestaltet und verbessert werden, sondern die Logistik bereits in die Innovationsprozesse der einzelnen Unternehmensbereiche mit einbezogen wird. Folgende Maßnahmen zur Strategieumsetzung sind im Grundmuster in ähnlicher Form bei allen Logistikführern zu finden.
Konzentration: Unternehmen oder unternehmensübergreifend betroffene Teilbereiche kooperieren bzw. fusionieren, um leistungsfähige Einheiten mit globalen Strukturen zu bilden.
Homogenisierung: Innerhalb der Unternehmen werden Produkte und logistische Prozesse zunehmend weltweit vereinheitlicht.
Reduzierung: Die Komplexität von Logistiksystemen wird durch die Verringerung der Lieferantenzahl, die Reorganisation der Produktionsstandorte, den Abbau von Distributionsstufen und den Einsatz hochqualifizierter Dienstleister reduziert.
Differenzierung: Die Leistung logistischer Systeme wird nicht länger Länder- oder regionalspezifisch, sondern ausschließlich für weltweite Kundensegmente differenziert.
Die so mögliche logistische Integration der weltweiten Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsprozesse ist zugleich Voraussetzung und Mittel zur Umsetzung der aufgezeigten Strategien.