Was versteht man unter einer Gratifikation?
Gratifikationen oder Sonderzuwendungen sind Leistungen des Arbeitgebers, die nicht regelmäßig mit dem Arbeitsentgelt gezahlt, sondern aus bestimmten Anlässen oder zu bestimmten Terminen (z. B. Weihnachten, Urlaub, Jubiläum) gewährt werden. Sie sollen eine Anerkennung für bereits geleistete Dienste darstellen und gleichzeitig einen Anreiz für zukünftige Leistungen bieten. Die Gratifikation ist also eine Art Belohnung für die von dem Arbeitnehmer bewiesene Betriebstreue.
Von den Gratifikationen mit Belohnungscharakter sind Sonderzuwendungen des Arbeitgebers zu unterscheiden, die einen ausschließlichen Entgeltcharakter besitzen. Unter diese Kategorie fällt das »13. Monatsgehalt«, das eine reine Zusatzvergütung darstellt, auf die der Arbeitnehmer ohne weitere Voraussetzungen (wie beispielsweise eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit) einen Anspruch hat und das für die im Abrechnungsjahr tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt wird.
Wann besteht ein Anspruch auf eine Gratifikation?
Ein Arbeitgeber kann eine Gratifikation entweder freiwillig leisten (ohne Rechtsanspruch des Arbeitnehmers) oder er kann hierzu rechtlich verpflichtet sein. Im letzteren Fall kann ein Arbeitnehmer die Gratifikation sogar einklagen.
Für den Anspruch auf eine Gratifikation gibt es verschiedene Rechtsgrundlagen, er kann sich direkt aus dem Arbeitsvertrag, einem anzuwendenden Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder auch kraft »betrieblicher Übung« ergeben. Ein Anspruch auf Grund betrieblicher Übung liegt in der Regel dann vor, wenn ein Arbeitgeber dreimal hintereinander eine Gratifikation ohne einen ausdrücklichen Vorbehalt gezahlt hat, sodass der Arbeitnehmer darauf vertrauen durfte, der Arbeitgeber wolle die Gratifikation auch künftig gewähren.
Leistet der Arbeitgeber eine Sonderzuwendung jedoch unter Erklärung eines Freiwilligkeitsvorbehalts (z. B. »Diese Gratifikation ist eine einmalige freiwillige Leistung, durch deren Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird«), dann kann der Arbeitgeber jedes Jahr neu entscheiden, ob und in welcher Höhe er seinen Mitarbeitern eine Gratifikation zahlen möchte. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber bereits mehrere Jahre hintereinander eine Sonderzuwendung gewährt hat.
Welche Mitarbeiter bekommen eine Gratifikation?
Ob Ihnen eine Gratifikation zusteht, ist im Arbeitsvertrag geregelt. Soll beispielsweise die vergangene Betriebstreue mit einer Gratifikation belohnt werden, dann wird in der Regel ein bestimmter Stichtag (häufig der 30. November) benannt, an dem das Arbeitsverhältnis noch bestehen muss, damit der Arbeitnehmer in den Genuss dieser Sonderzuwendung gelangt. Dient die Gratifikation hingegen als Anreiz für die künftige Betriebstreue, dann wird im Arbeitsvertrag meist festgelegt, dass das Arbeitsverhältnis über diesen Stichtag hinaus bis zum Ende eines bestimmten, für den Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraum in dem darauf folgenden Jahr Bestand haben muss.
Nach dem Gleichheitsgrundsatz haben grundsätzlich alle Beschäftigten bzw eine bestimmte Mitarbeitergruppe (z. B. alle im Innendienst Beschäftigten) eines Betriebes Anspruch auf die Zahlung einer Gratifikation. Von diesem Anspruch dürfen bestimmte Arbeitnehmer nicht willkürlich ausgeschlossen werden. Die Gratifikation kann Arbeitnehmern nur aus sachlichen Gründen versagt werden, so z. B. wegen einer erst kurzen Betriebszugehörigkeit.
Kein sachlicher Grund für eine Differenzierung bei Gewährung einer Gratifikation wäre aber beispielsweise die Volloder Teilzeitbeschäftigung eines Arbeitnehmers. Ebenso wenig darf der Arbeitgeber bei Angestellten und Arbeitern Unterschiede machen. Als weitere willkürliche Differenzierungsmerkmale sind in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Herkunft, das Geschlecht oder eine Gewerkschaftszugehörigkeit anerkannt. Arbeitnehmer, die aus derartigen willkürlichen Gründen von der Gewährung einer Gratifikation ausgeschlossen werden, können ihren Anspruch vor dem Arbeitsgericht einklagen.
Die genannten Grundsätze gelten auch für die Bemessung der Gratifikationen. Unterschiedlich hohe Beträge sind ebenfalls nur aus sachlichen Gründen zulässig. Die persönliche Sympathie zwischen dem Chef und seinen Mitarbeitern wäre beispielsweise kein sachlicher Grund, unterschiedlich hohe Gratifikationen zu gewähren (obwohl dies in der Praxis häufig so gehandhabt wird). Sollte dies in Ihrer Firma vorkommen, haben Sie gute Chancen, zu Ihrem Recht zu kommen.
Wann darf der Chef die Gratifikation kürzen?
Die Kürzung einer bisher geleisteten Gratifikation ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn dies dem Arbeitgeber ausdrücklich im Arbeitsvertrag, einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorbehalten ist. Ebenfalls zulässig sind Vereinbarungen, wonach eine Gratifikation auf Grund krankheitsbedingter Fehlzeiten oder durch die Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs (Elternzeit) gekürzt werden darf. Dagegen sind Kürzungen wegen Fehlzeiten durch den Erholungsurlaub oder der Mutterschutzfrist stets unzulässig. In Tarifverträgen kann auch eine Minderung der Gratifikation für den Fall der Kurzarbeit vorgesehen werden. Ebenso kann die Ableistung des Grundwehrdienstes eine Gratifikationskürzung begründen.
Wird Ihnen als Sonderzuwendung ein echtes 13. Monatsgehalt gezahlt (z. B. als Weihnachtsgeld), so kann dies bei Fehlzeiten anteilig gekürzt werden oder sogar vollständig entfallen, zumal es sich hierbei um eine reine Zusatzvergütung für die während des Anspruchsjahrs tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung handelt. In der Regel erhalten Sie dann pro Monat Fehlzeit ein Zwölftel weniger.
Wann muss eine Gratifikation zurückgezahlt werden?
Oftmals verlangen Arbeitgeber im Falle des Ausscheidens eines Arbeitnehmers aus dem Betrieb eine bereits geleistete Sonderzuwendung zurück. Dies gilt vor allem für Gratifikationen, die als Anreiz gezahlt wurden, also für noch ausstehende Leistungen. Allerdings sind Sie als Arbeitnehmer nicht in allen Fällen zu einer Rückzahlung von Gratifikationen verpflichtet. Im Einzelnen gilt Folgendes:
· Eine Rückzahlungspflicht besteht für Sie nur dann, wenn eine solche ausdrücklich vereinbart wurde. Solche Vereinbarungen werden auch Rückzahlungsklauseln genannt.
· Liegt eine solche Rückzahlungsklausel vor, dürfen Gratifikationen aber trotzdem nur bis zum Ablauf bestimmter Fristen zurückgefordert werden. Die Länge dieser so genannten Bindungsfristen hängt von der Höhe der erhaltenen Sonderzuwendung ab.
Das Bundesarbeitsgericht hat festgelegt, dass die mit einer Rückzahlungsklausel verbundenen Bindungsfristen nicht unverhältnismäßig lang sein dürfen. Anderenfalls könnten Arbeitnehmer in ihrer beruflichen Bewegungsfreiheit, die durch Art. 12 des Grundgesetzes garantiert ist, in einer unzumutbaren Weise eingeschränkt werden. Daher hat das Bundesarbeitsgericht folgende Richtlinien erstellt, an denen sich die Arbeitgeber zu orientieren haben:
Gratifikationen von weniger als 200 DM (maximal 199,99 DM) müssen Sie im Falle Ihres Ausscheidens aus der Firma in keinem Fall zurückzahlen.
Beträgt eine Gratifikation mindestens 200 DM, liegt sie aber unter einem Monatsgehalt, dann darf die Bindungsfrist bis zum 31. 3. des Folgejahres dauern. Das bedeutet also: Besteht eine derartige Rückzahlungsklausel und verlassen Sie das Unternehmen vor Ablauf des 31. 3., dann müssen Sie die Gratifikation zurückzahlen.
Bei Gratifikationen von einem vollen Monatsgehalt und mehr ist eine Bindung des Arbeitnehmers bis längstens zum 30. 6. des Folgejahres zulässig.
Hiervon abweichende Rückzahlungsklauseln sind in der Regel unwirksam und können angefochten werden.
Haben Sie eine Sonderzuwendung in Form eines echten 13. Monatsgehalts erhalten, bleibt Ihnen grundsätzlich ein anteiliger Anspruch in Höhe von einem Zwölftel pro Beschäftigungsmonat, sofern nichts anderes vereinbart wurde.
Gratifikationen — wichtige Urteile
Keine Gratifikation bei Arbeitsunfähigkeit
Ist und bleibt ein Arbeitnehmer auch künftig fortdauernd arbeitsunfähig und besteht sein Arbeitsverhältnis somit nur noch rein formal, dann ist sein Anspruch auf Weihnachtsgratifikation sogar dann ausgeschlossen, wenn die tarifvertraglichen Voraussetzungen für diese Sonderzuwendung erfüllt sind.
BAG, 11. 2. 1998 – AZ: 10 AZR 264/97
Rückzahlung bei vorzeitigem Ausscheiden
Grundsätzlich sind auch Rückzahlungsklauseln zulässig, die eine Rückerstattung einer erhaltenen Gratifikation für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung vorsehen. Allerdings kann ein Arbeitnehmer im Ausnahmefall dann nicht zur Rückzahlung verpflichtet sein, wenn der Arbeitgeber die Kündigung während der Probezeit ausschließlich deshalb ausgesprochen hat, um seinen Rückzahlungsanspruch zu verwirklichen.
LAG Hamm, 30. 7. 1999 – AZ: 10 Sa 744/99
Gratifikation nach Leistung
Ein Arbeitgeber muss auch bei einer freiwilligen Sonderzuwendung stets den Gleichheitsgrundsatz beachten. Eine Ungleichbehandlung einzelner Arbeitnehmer ist nur dann zulässig, wenn die Unterscheidung nach dem Zweck der Zuwendung gerechtfertigt ist. Hierüber muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiter rechtzeitig informieren. Dshalb geht es nicht an, dass die Zahlung einer Gratifikation im Nachhinein von der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers abhängig gemacht wird.
LAG Hamm, S. 11. 1997 — AZ: 10 Sa 1006/97