Die Differenz zwischen Marktwert und Buchwert des Eigenkapitals einer Unternehmung wird (in Anlehnung an STEWART) als Intellektuelles Kapital (Intellectual Capital, IC) bezeichnet.
Ziel der Begriffsbildung ist es, für die Unternehmung Ansatzpunkte und Wege zu finden, um den Wertunterschied, das IC, besser zu verstehen, zu erklären, und auf Faktoren und Bestimmungsgründe zurückzuführen, die als Werttreiber erkannt und optimal gestaltet werden können.
Das IC ist daher nicht einzig ein Begriff des Rechnungswesens, sondern eher eine neue Managementlehre, die darauf zielt, Werte zu schaffen. Doch sind als Werttreiber nicht primär Faktoren wie Umsatz, Marge, Kosten gesehen, sondern die Möglichkeiten, die Intelligenz des Managements und der Mitarbeiter besser einzubringen.
Bei den meisten Aktiengesellschaften übersteigt der Marktwert des Eigenkapitals (Anzahl der ausgegebenen Aktien multipliziert mit dem Kurs) den Buchwert des Eigenkapitals, wie er in der Bilanz ausgewiesen wird. Ähnlich erzielen nicht an einer Börse notierte Unternehmen bei einem Wechsel der Eigentümer einen Preis, der in der Regel über dem Buchwert liegt.
Diese Differenz wurde früher als Goodwill (Firmenansehen) bezeichnet. Das mit Goodwill verbundene betriebswirtschaftliche Thema war früher vor allem steuerrechtlicher Natur.
Heute werden die Fragen thematisiert, wie die Differenz zwischen Marktwert und Buchwert zustande kommt, und durch welche Maßnahmen der Wert einer Unternehmung über den Buchwert hinaus gesteigert werden kann. Hier ist die alte Bezeichnung Goodwill wenig hilfreich. Eine überzeugendere Antwort lautet, daß die Differenz zwischen Markwert und Buchwert auf die „Intelligenz“ einer Unternehmung zurückgeht, mithin das „Intellektuelle Kapital“ darstellt. Der Buchwert (Anlagevermögen und Umlaufvermögen) ist sinnbildlich die Hardware, die Intelligenz die Software einer Unternehmung.
Der Begriff Intellektuelles Kapital hat eine dreifache Bedeutung:
1.Eine positive Differenz zwischen dem Marktwert und dem Buchwert kann nur so erklärt werden, daß es neben den in der Bilanz erfaßten Vermögenspositionen noch weiteres Vermögen gibt. Das Intellektuelle Kapital ist eine immaterielle Vermögensposition oder eine Klasse immaterieller Vermögenspositionen. Offenbar wird mit der Namengebung die Leistung der in der Unternehmung tätigen Menschen lobend erwähnt, und ihr Beitrag zum Wert der Unternehmung wird ansprechend erwähnt. Der Begriff zeigt, daß nicht nur die Kapitalgeber mit ihrem Geld die Unternehmung „zum Laufen“ bringen. Das ist eine geschickte Wortwahl.
2.So wie es ein Finanzmanagement gibt, ein Management des Anlagevermögens oder ein Management des Umlaufvermögens, so ist IC eine Lehre, wie diese Klasse immateriellen Vermögens zu managen ist, damit das immaterielle Vermögen möglichst wirksam in der Leistungserstellung der Unternehmung wirkt.
3. Das IC ist aber eigentlich kein Kapital im Sinne der Betriebswirtschaftslehre.
Ziel der Betrachtung des IC im Sinne der angesprochenen Managementlehre ist es zu klären, welche Arten von Intellektuellem Kapital zu unterscheiden sind, wie die einzelnen Komponenten zusammenhängen, mit welchen Maßnahmen ihr Erhalt und Aufbau gefördert werden kann und wie diese Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen eines Unternehmens verständlich kommuniziert werden können.
Die Unterteilung des IC in verschiedene Klassen sollte durch das jeweilige Unternehmen erfolgen. Argumente sind die Handhabbarkeit und Beeinflußbarkeit, aber es spielen natürlich Spezifika der Branche hinein. Häufig wird dem Beispiel des schwedischen Versicherungskonzerns Skandia folgend eine Unterteilung in Human Capital, Customer Capital und Organizational Capital gewählt. An diese Unterscheidung knüpft dann eine Lehre an, wie die entsprechenden Intangibles in jeder Klasse geschaffen, gemehrt und wirksamer eingesetzt werden können.
Die Managementlehre vom IC betont daher den Transformationsprozeß von Wissen in Intangibles und den Prozeß der wirksamen Nutzung. IC wird als Prozeß verstanden. Man erinnere sich, daß IC zunächst als ein Bestand definiert wurde.
Da, wie gesagt, IC als Vermögen auf allen Ebenen der Unternehmung anzutreffen ist, werden bei diesem Prozeß Transformation von Wissen in Intangibles und die wirksame Nutzung der Intangibles alle Mitarbeiter einbezogen, damit IC gesichert, gemehrt und wirksam eingesetzt wird. Hierzu wird der Prozeß also eine Vorgehensweise, ein Weg stufengerecht auf allen Arbeitsplätzen dargestellt, und zwar mit Hilfe eines Wegweisers. Dieser Wegweiser ist der sogenannte Navigator.