Kreditäquivalente

Gläubiger verhalten sich heute nach der Risikoabgeltungshypothese: Danach übernehmen Fremdkapitalgeber durchaus Ausfallrisiken, sie lassen sich zum Ausgleich dafür eine Risikoprämie vergüten, indem sie eine höheren Gesamtzins für das Fremdkapital fordern (im Vergleich zur Rendite von Anleihen, deren Bonität außer Frage steht). Mit anderen Worten: Der Gläubiger gibt den Kredit, wofür er den marktüblichen Zinssatz verlangt, und er übernimmt, genau wie eine Versicherungsgesellschaft, das Risiko eines möglichen Ausfalls des Schuldners. Dafür ist die Kreditrisikoprämie zu zahlen. Die Empirie zeigt, daß diese Kreditrisikoprämie sogar leicht höher ist als die mittleren Ausfallkosten.

Bei der Beurteilung der Bonität wird die Wahrscheinlichkeit für einen Default geschätzt. Allerdings ist mit den Default-Raten noch nichts darüber gesagt, ob im Fall eines Default „alles verloren“ ist, oder ob vielleicht in der Folgezeit der Schuldner einen Teil der Forderung doch noch begleichen kann. Deshalb wird bei der Bemessung der bei einem Kredit zu erwartenden Ausfallkosten ein versicherungsmathematischer (aktuarischer) Ansatz gewählt.

Alle Gegenparteirisiken, auch solche im Zusammenhang mit Derivaten, werden als zu erwartender Ausfall eines äquivalenten Kredits dargestellt. Diese Vorgehensweise wird mit dem Begriff Kreditäquivalent bezeichnet.

Bei diesem Ansatz werden für jede Position mit einem Gegenparteirisiko (Vertragspartner könnte ausfallen) drei Fragen gestellt:

1. Nominalbetrag N: Wenn es zu einem Ausfall käme, welches ist dann der Nominalbetrag der betroffenen Position, und wie verändert sich diese Nominalhöhe im Verlauf des Vertragsverhältnisses. Beispielsweise wird hier berücksichtigt, ob ein Kredit getilgt wird. Bei einem Kredit mit geplanter Tilgung ist, wenn es nach einigen Jahren zu einem Ausfall kommt, der betroffene Nominalbetrag etwas geringer als wenn dieser Kredit keine planmäßige Tilgung hätte.

2. Default-Rate D: Welches ist die Wahrscheinlichkeit für einen Ausfall, und welche Vermutungen können über die Veränderung der Ausfallraten im Zeitablauf getroffen werden? Hier spielen das Länderrisiko hinein, die Bonität der Gegenpartei, sowie Sicherheiten im weiteren Sinn (Covenants).

3. Recovery-Rate R: Wenn es zu einem Ausfall käme, welches wäre dann der prozentuale Anteil der Nominalhöhe der betroffenen Position, von der erwartet werden kann, daß sie eingebracht werden kann. Diese Größe wird maßgeblich vom Rang und von Sicherheiten bestimmt.
Die im Kreditvertrag zu verlangende Risikoprämie als absoluter Betrag orientiert sich an dem Produkt:

Kreditrisikoprämie = proportional zu N * D * (1 – R)

Besonders wenn die Kreditrisikoprämie nicht jedes Jahr neu festgesetzt werden kann, muß gleich zu Vertragsabschluß berücksichtigt, wie sich diese drei Größen im Zeitablauf wohl verändern werden. Diese Kalkulationen machen den Ansatz der Kreditäquivalente aus.


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