Die „Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten“ ist Teil eines Richtlinienpakets (Fusionsrichtlinie; Schiedsverfahrenskonvention), das am 23.7.1990 vom EU-Ministerrat verabschiedet und zwischenzeitlich mehrfach geändert wurde. Adressaten sind verbundene Unternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft und bestimmte Personengesellschaften (i. d. R. diejenigen, die steuerlich wie Kapitalgesellschaften behandelt werden) (vgl. Anlage 2 zum EStG).
Begünstigt sind nur Gesellschaften aus Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. Die Richtlinie wurde in § 43b, § 50 g-h EStG und § 8b Abs. 9 KStG in deutsches Steuerrecht umgesetzt. Mit der Mutter-Tochter-Richtlinie soll die (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung von Gewinnen vermieden werden, die eine Gesellschaft eines Mitgliedstaates an eine in einem anderen EU-Staat ansässige Gesellschaft ausschüttet.
Im Staat der Tochtergesellschaft wird keine Quellensteuer auf Schachteldividenden an die EU-Muttergesellschaft erhoben. Der Staat der Muttergesellschaft stellt die empfangenen Dividenden von der Körperschaftsteuer frei. Die Freistellung der Einkünfte steht im Gegensatz zu den Steuerabkommen nicht unter einem Aktivitätsvorbehalt (Aktivitätsklausel). Es gilt eine Beteiligungsquote von 20 % , die bis 2009 auf 10 % abgesenkt wird.
Auch auf bestimmte andere innerkonzernlichen Lieferungs- und Leistungsaustausche wird unter bestimmten Bedingungen keine Quellensteuer erhoben (insbesondere Zinsen und Lizenzgebühren). Die angestrebte Neutralität bei der Besteuerung von Direktinvestitionen wird nur bei der laufenden Besteuerung von Schachteldividenden bei verbundenen Unternehmen erreicht (Europäisierung).