Der ökonomische Gewinn ist jener Teil des in Geldeinheiten ausgedrückten Ergebnisses wirtschaftlicher Aktivität, der am Ende einer Periode entzogen werden könnte, ohne daß dadurch das für den Erfolg nötige Kapital reduziert wird. Anders ausgedrückt: Der ökonomische Gewinn stellt jenen Teil des Periodenergebnisses dar, der entnommen werden kann, ohne daß die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Leistung gefährdet wird.
Werden einer Wirtschaftseinheit immer wieder Mittel in Höhe des buchhalterischen Gewinns entzogen, kann es dazu kommen, daß sich die Leistungskraft im Laufe der Zeit schmälert. Mit dem ökonomischen Gewinn soll ermittelt werden, wie hoch Entnahmen sein dürften, ohne daß die Leistungskraft verringert wird. Vielfach ist der ökonomische Gewinn geringer als der Buchgewinn, und die Differenz wird dann als Scheingewinn bezeichnet.
Der Begriff des ökonomischen Gewinns beruht auf diesen Erkenntnissen:
1.Realkapital altert. Es verbraucht sich mit der Zeit und mit der Nutzung. Der ökonomische Gewinn verlangt daher eine korrekte Erfassung der Abschreibungen. Die Abschreibungen sollten sich auf Wiederbeschaffungswerte beziehen.
2. Realkapital mit spezieller Funktion unterliegt der Obsoleszenz, das heißt, es kann wirtschaftlich aus der Mode kommen obwohl es physisch noch funktionsfähig wäre. Die Möglichkeit, mit Realkapital wirtschaftliche Ergebnisse zu erzielen, hängt somit von der Umgebung und von den Märkten ab, und die Veränderungen der Welt können Realkapital zusätzlich entwerten. Obsoleszenz bewirkt eine Verringerung des ökonomischen Gewinns.
3. Schließlich ist der Erfolg in Geld ausgedrückt, aber es gibt in allen Währungen Inflation. Eventuell ist daher der ökonomische Gewinn so zu bemessen, daß der Erfolg nicht nur nominal sondern real erhalten wird. Zur Erhaltung der realen Leistungskraft ist eine gewisse nominale Kapitalsteigerung erforderlich, um die Geldentwertung zu kompensieren. Möglicherweise sind auch Steuern zu berücksichtigen, die auf sogenannte Scheingewinne zu entrichten sind.
4. In einer wachsenden Welt kann es angezeigt sein, von Nachhaltigkeit des Erfolgs nur dann zu sprechen, wenn der Erfolg in Relation zum Rest der Wirtschaftswelt nicht zurückfällt. Das verlangt eine Dynamisierung.
Aus den vier genannten Gründen ist der ökonomische Gewinn geringer als der Buchgewinn. Andererseits kann der Gewinn einer Unternehmung in der Rechnungslegung bereits dadurch geschmälert sein, daß vom Erfolg verschiedene Aufwandspositionen in Abzug gebracht worden sind, mit denen eher eine Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungskraft verbunden ist. Dann könnte es sein, daß der ökonomische Gewinn größer als der Buchgewinn ist.
Hierzu gehören Einmalabschreibungen auf gekaufte Anlagen und Ausrüstungen, die gleichwohl mehrere Perioden wirtschaftlich eingesetzt werden können. Der in der heutigen Praxis wohl wichtigste Grund, aus dem der ökonomische Gewinn größer als der Buchgewinn sein kann, ist indessen die Tatsache, daß viele Unternehmen Aufwendungen (Löhne) für Forschung und Entwicklung und Marketing aufbringen, ohne die Arbeitsergebnisse zu aktivieren. Die Schaffung Intellektuellen Kapitals mit eigenen Forschungsabteilungen führt auch zu der Formel:
Ökonomischer Gewinn = Gewinn + Investivaufwand
Der ökonomische Gewinn ist jedenfalls kein Übergewinn. Um vom öko-nomischen Gewinn ausgehend einen Übergewinn zu bestimmen, müßte man einen üblicherweise zu erwartenden Gewinn (Kapitalkosten) abziehen. Das geschieht bei der Berechnung des Eco-nomic-Value-Added:
EVA = Ökonomischer Gewinn – Kapitalkosten
Obwohl Economic Profit die Übersetzung von „ökonomischer Gewinn“ ist, sind die Begriffe doch unterschiedlich. Der Economic Profit ist eine Variante des Übergewinns, die von der Beratungsfirma McKinsey & Company propagiert wird.
Wichtig ist, daß der ökonomische Gewinn eine Vorstellung darüber voraussetzt, was genau unter dem Erhalt der wirtschaftlichen Leistungskraft verstanden werden sollte.
Wenn eine Familienunternehmung, die heute 10% des Marktes von Wasserstoffpumpen bedient und als technologisch innovativ gilt, für die Berechtigten Familienmitglieder jedes Jahr 1 Million Euro abwerfen soll und dieser Betrag sich entsprechend der Geldentwertung im Laufe der Zeit erhöhen soll, dann ist das eine andere Vorstellung, als wenn die Leistungskraft als Erhalt des zehnprozentigen Marktanteils definiert wird. Eine dritte Vorstellung wäre die, daß die wirtschaftliche Leistungskraft erhalten bleibt, wenn die Unternehmung weiterhin ihre technologische Spitzenposition behält. Jede der drei Vorstellungen führt auf einen anderen ökonomischen Gewinn.
Im Jahr 1990 hat der Stuttgarter Automobilkonzern Daimler Benz (heute DaimlerChrysler) eine Untersuchung in Auftrag gegeben, zwei Konzepte der „richtigen“ Rendite für Aktionäre zu vergleichen.
Bei einem Konzept wurde gefragt, welche Rendite Aktionäre im Kapitalmarkt mit einer anderen Aktie vergleichbaren Risikos erwarten können.
Bei dem anderen Konzept wollte man den Aktionären einerseits eine Dividende in gewohnter Höhe bieten und die Dividenden über die Jahre hinweg auch ansteigen lassen wie das in der Vergangenheit stets der Fall gewesen ist. Zusätzlich sollte aber in einer dynamischen Welt die wirtschaftliche und technologische Leistungskraft des Unternehmens nachhaltig gesichert bleiben.
Beide Konzepte führen auf unterschiedliche „Kapitalkosten“ und letztlich auf unterschiedliche Investitionsentscheidungen.
Beachtenswert ist eine spezielle Vorstellung davon, was es bedeuten solle, die Leistungskraft zu erhalten. Wird diese Bedingung als Erhalt des Marktwertes des Kapitals in nominaler Höhe verstanden, dann entspricht der ökonomische Gewinn dem Produkt aus der finanziellen Rendite und dem eingesetzten Kapital.