Risikomanagement bei Projektfertigung ist ein integriertes Führungskonzept der Unternehmung, welches aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellung eine ganzheitliche und vernetzte Lösung erfordert. Risikomanagement ist somit eine projektbezogene, übergreifende und unternehmensweite Führungsaufgabe aller Bereiche und Führungskräfte. Es wird dabei unterstützt durch das Risikocontrolling (Risikocontrolling bei Projektfertigung).
Unternehmerische Aktivitäten unterliegen immer stärkeren Veränderungen, die sich z.B. aus der Globalisierung, aus der Internationalisierung der Kapitalmärkte oder aufgrund von Technologieveränderungen ergeben. Hieraus ergeben sich neue betriebswirtschaftliche Herausforderungen, die unweigerlich mit nicht zu unterschätzenden Risikopotenzialen verbunden sind. Insbesondere Projektfertiger, wie im Baugewerbe, im Anlagenbau, in der IT-Entwicklung etc., haben aufgrund ihrer besonderen Risiken aus dem Projektgeschäft einen höheren Stellenwert auf das Risikomanagement zu legen. Beispielhaft seien hier einige der wichtigsten Gründe aufgeführt:
⦁ Hohe Wettbewerbsintensität und ruinöser Preiswettkampf;
⦁ verschärfte kommerzielle sowie juristische Rahmenbedingungen;
⦁ unterschiedliche Wertigkeit und Laufzeit der Projekte;
⦁ sinkende Auftragsbestände, sinkende Zahlen bei den geleisteten Arbeitsstunden und geringere Auslastungsquoten der Betriebsmittel und des Personals;
⦁ diskontinuierliche Auftragseingänge führen zu Schwankungen auf der Leistungserstellungsseite, die durch substitutionssteuernde Maßnahmen ausgeglichen werden müssen;
⦁ wechselnde Produktionsstätten und Rahmenbedingungen, die zu sich ständig ändernden technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen;
⦁ wechselnde Auftraggeber sowie die Berücksichtigung von Kundenwünschen während der Projektlaufzeit, was Planung und Durchführung von Projekten erschwert;
⦁ hoher Koordinationsaufwand zwischen Sub- bzw. Nachunternehmern, Lieferanten, ARGE-Partnern und eigenen zentralen Dienstleistungseinheiten, wie z.B. die Arbeitsvorbereitung und Angebotskalkulation und die Dienstleistungen von technischen Büros, Lager- und Transporteinrichtungen;
⦁ hohe Synchronisationsanforderungen von Leistungserstellung und Finanzierung;
⦁ Informationslücken aufgrund dezentraler und zentraler Arbeitsteilung;
⦁ Notwendigkeit der Messung und Bewertung unfertiger Leistungen für aussagefähige Wirtschaftlichkeits- und Ergebnisanalysen;
⦁ hohe, ungedeckte Angebotskosten durch geringe Auftragserfolgsquoten;
⦁ Länder- (z.B. internationale rechtliche Vertragsgestaltung) und Fremdwährungsrisiken;
⦁ Abhängigkeit von Großkunden;
⦁ Fehlende technologische Erfahrung;
⦁ Hohe Projektkomplexität und untransparente Leistungen, z.B. bei Schlüsselfertigen Komplettlösungen mit integrierter Finanzierung;
⦁ Mangelnde Vertragsqualität;
Aufgrund der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit sowie Vorteilhaftigkeit eines Risikomanagements hat der bundesdeutsche Gesetzgeber das System der Unternehmenskontrolle novelliert und mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) eine Verpflichtung für Aktiengesellschaften, ein umfassendes Risikomanagement zu etablieren, festgeschrieben.
Aufbauend auf einer entsprechenden Projektorganisation bestehen die Aufgaben der Risikoidentifikation in der Analyse der bestehenden Risikomanagement-Strukturen sowie einer ersten Risikoinventur anhand Ihrer unternehmerischen Leistungsprozesse. Auf Basis der identifizierten Risiken wird ein unternehmensspezifisches Risikoprofil gebildet, das bei Projekteinzelfertigern z.B. wie folgt strukturiert werden kann.
Technischen Risiken:
⦁ Neuheit als Produkt, Anwendung oder Technologie,
⦁ Zugesicherte Eigenschaften/Leistungen,
⦁ Schnittstellen,
⦁ Komplexität,
⦁ Lokale Fertigung und
⦁ Transport und Verpackung.
Kommerzielle Risiken:
⦁ i.V.m. der technischen Leistung,
⦁ vertragliche Zusagen,
⦁ Pönale,
⦁ Zulieferer-Risiko,
⦁ Produkthaftung/Folgeschäden und
⦁ lokale Fertigung.
⦁ Innere Risiken
⦁ hoher Auftragswert,
⦁ Kalkulationsrisiko,
⦁ Finanzierungsrisiko (intern),
⦁ Gewährleistung,
⦁ interne Schnittstellenintensität z.B. der Fachbereiche,
⦁ Absicherung der Zahlungsverpflichtung,
⦁ Abnahmebedingungen und -zeitpunkte und
⦁ Kompensationsgeschäfte.
⦁ Risiken aus dem Umfeld
⦁ Politisches/wirtschaftliches Risiko,
⦁ Währungsrisiko/Länderrisiko,
⦁ Abhängigkeit von Kunden, Lieferanten und Partnerunternehmen,
⦁ externe Schnittstellenintensität,
⦁ geltendes Recht,
⦁ Kundenbonität,
⦁ Behördenrisiko (Genehmigungsverfahren),
⦁ Finanzierungsrisiko (extern),
⦁ lokale Steuern und Abgaben und
⦁ höhere Gewalt.
Weitere Anhaltspunkte bei der Analyse bietet die Projektstruktur. Denn aufgrund der Struktur ergeben sich Risiken, die für jedes Projekt spezifisch sind. Aufgrund dieser Tatsache lassen sich die Risiken zeitlich den einzelnen Projektphasen zuordnen und werden daher zu einem bestimmten Zeitpunkt relevant oder haben keinen Einfluss. Die eigentliche Identifikation des Risikos kann anhand von Checklisten erfolgen.
Risikoanalyse und -beurteilung bei Projektfertigung
In dem darauf folgenden Schritt werden die verifizierten Risiken analysiert und bewertet. Die identifizierten Risiken werden anhand ihrer Ereigniswahrscheinlichkeit sowie ihrer Intensität der Auswirkung beurteilt und in einer Risk Map visualisiert.
Eine übersichtliche Bewertung des Chancen-und Risiko-Profils der einzelnen Projekte erfolgt z.B. mit Hilfe eines Risiko-Netzes (vgl. Abb. „Risikonetz“). Die einzelnen Risiken werden hierbei gewichtet und mit Punkten bewertet. Je größer die Fläche des Risikonetzes ist, desto größer ist das Risikopotenzial des Projektes.
Risikosteuerung bei Projektfertigung
Ziel ist es, alle wesentlichen Risikopotenziale unternehmerischer Aktivitäten je nach konkreter Ausgestaltung durch gezielte steuernde Maßnahmen zu vermeiden, zu vermindern, zu überwälzen oder zu akzeptieren und selbst zu tragen. Im letzten Fall kommt der Risikoüberwachung- und -kontrolle eine hohe Bedeutung zu.
Mit Hilfe der systematisch angewendeten Risikosteuerungsinstrumente, z.B. dem Hedging bei Fremdwährungsrisiken, werden potenzielle Defizite aufgezeigt und behoben.
Risikoüberwachung und Dokumentation bei Projektfertigung
Nach der Vervollständigung, Vereinheitlichung und Implementierung der Risikoinstrumente wird ein Kontroll-, Überwachungs- und Steuerungsgremium in die vorhandene Organisationsstruktur integriert. Einem Gremium in Form eines Risk-Management-Committee wird ein Risikoinformationssystem zur Seite gestellt, welches eine kontinuierliche Überwachung und Steuerung der Risikopotenziale ermöglicht.