Steuerbilanzpolitik

Die Steuerbilanzpolitik ist ein Teil der betriebswirtschaftlichen Steuerpolitik (Tax Management). Diese ist wiederum ein integraler Bestandteil der gesamten Unternehmenspolitik. Die handelsrechtliche Bilanzpolitik bedeutet primär Sachverhaltsgestaltung zur gesetzmäßigen Beeinflussung der Vermögens- und Kapitalstruktur im Lichte der Adressaten.

Die steuerrechtliche Bilanzpolitik ist eng damit verbunden; sie bedeutet aber, primär sachverhaltsgestaltende Maßnahmen anzustreben zur Beeinflussung des steuerlichen Ergebnisses mit Rückwirkungen auf die Selbstfinanzierung und Ausschüttung. Die Steuerbilanzpolitik ist namentlich in Deutschland besonders ausgeprägt. Die Verzahnung zwischen Handels- und Steuerbilanz ist komplex und wenig transparent. Das Maßgeblichkeitsprinzip besteht nur noch partiell, wie in den meisten europäischen Staaten. Es ist aber bislang Anknüpfungspunkt für die EuGH-Rechtsprechung.

Die Ursachen der Komplexität beruhen auf dem Abgehen von klassischen Prinzipien, auf widersprüchlichen Änderungen, auf dem internationalen Einfluss und der Änderungsgeschwindigkeit der zu Grunde liegenden Rechtsmaterien. Bei der Gestaltung müssen die unterschiedlichen Interessenlagen und Ziele der Adressaten berücksichtigt werden. Die Steuerbilanzpolitik führt zu Steuerstundungs- und Steuerersparniseffekten. Im Kontext von Rentabilitätszielen und Nebenbedingungen für die Gesamtunternehmung kann von vier Kategorien steuerlicher Subziele ausgegangen werden, die sich auch empirisch nachweisen lassen: Relative Steuerzahllastminimierung, relative Zulagenmaximierung, relative steuerliche Risikominimierung und Reduktion der Steuerverwaltungskosten.

Im internationalen Bereich tritt die Vermeidung der Doppelbesteuerung an die erste Stelle, gefolgt vom Streben nach Gesetzmäßigkeit und Risikoreduktion. Die Konzepte von Vogt (Normalzone), Heigl (Nettokapitalwertmaximierung) und Marettek (Steuerbarwertminimierung) werden in Abhängigkeit von den Adressaten und ihrem Umfeld meist kombiniert oder mit deutlicher Präferenz für die Steuerbarwertminimierung angewandt. Die Komplexität führt zur Verkürzung des Planungshorizonts. Die Steuerbilanzpolitik kann sich „verlängernd“ auf Umstrukturierungen und die Erbschaftsteuerpolitik (Übernahmewerte) auswirken. Die steuerlichen „Manövriermassen“ sind in ständiger Bewegung. Ihre interperiodische und zielbezogene Verteilung wird zunehmend schwieriger.

Die partiellen Abhängigkeiten bedürfen einer genauen Prüfung der Auswirkungen auf die handels- und steuerrechtlichen Adressaten. Alle Steuerbilanzmodelle gehen von unveränderten Steuerrechtsdaten, von der ausschließlichen Existenz von Gewinnsteuern und dem kontinuierlichen Vorhandensein von Manövriermassen aus. Der pagatorische steuerliche Gewinn, die Verlustsituation und die internationalen Einflüsse stellen daher zusätzliche arteigene Problemfelder dar. Zwingend erforderlich sind mindestens zweijahresbezogene Checklisten über die potenziellen Vermehrungs- und Reduktionsmassen, die für den speziellen adressaten- und rechtsformbezogenen Einsatz in Betracht kommen können.

Dabei müssen Progressions- und Zinseffekte parallel berücksichtigt werden. Die Steuerbilanzpolitik muss entscheidungsorientiert steuerartenübergreifend im Vorfeld der bilanzwirksamen Vorgänge beginnen. Danach verbleiben nur noch die mehr oder weniger engen Bandbreiten und > Wahlrechte für die Bilanzierung und Bewertung im Jahresabschluss. Für Kleinbetriebe, Mittelbetriebe und Großunternehmen sind unter Berücksichtigung der typischen Einflüsse der Rechtsform besondere Differenzierungen und Verhaltensweisen zu beachten.

Die „internationale Steuerbilanzpolitik“ wurde bislang kaum oder nur im Rahmen einer strukturierten Ertragsteuerpolitik diskutiert; sie mündet hier zumeist ein in eine internationale Verrechnungspreis- und internationale Konzernsteuerpolitik. National ist zwischen der bilanziellen Steuerermittlungspolitik und der pagatorischen steuerlichen Gewinnermittlungspolitik zu unterscheiden. Die betriebswirtschaftlichen Typisierungen bei den Rechtsformen müssen steuerlich z. B. differenzieren zwischen Einzelunternehmen, Alleinunternehmern, Mitunternehmerschaften, personenbezogenen Kapitalgesellschaften, Publikumsgesellschaften, internationalen Einheitsunternehmen und internationalen Konzernen.

Die gegenwärtigen Manövriermassen beziehen sich unter Berücksichtigung der Interessenlagen, Zielsetzungen, Gewinn- oder Verlustsituationen vor allem auf die Ausschöpfung der Wahlrechte sowie die Abschreibungs- und Rückstellungspolitik sowie die steuerfreien Rücklagen und ihre Auflösung. Spezialprobleme ergeben sich aus den steuerökonomischen Interdependenzen bei Umstrukturierungen, aus den Einflüssen der Euroumstellung und der Europäisierung der steuerlichen Gewinnermittlung, insbesondere bei Kapitalgesellschaften sowie der steuerlichen Betriebsprüfung. Diese Einflüsse legen eine revolvierende steuerbilanzielle Planung nahe. Langfristig wird sich die Bedeutung der Steuerbilanzpolitik wegen der wachsenden Rolle indirekter Steuern abschwächen.


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