wertorientiertes Controlling bezeichnet die unternehmenswertorientierte Ausrichtung einer Controlling-Konzeption und damit eine neue Entwicklung des Controlling in Theorie und Praxis. In den USA entstanden zu Beginn der 1980er Jahre erste Überlegungen, den Wert eines Unternehmens oder einzelner Unternehmensteile in die Zielsetzungen des Managements einzubinden (Shareholder Value-Konzept oder wertorientierte Unternehmensführung).
Professoren amerikanischer Business Schools, wie Fruhan, Rappaport oder Copeland, übertrugen vorhandenes Gedankengut aus der Finanzierungs- und Kapitalmarkttheorie auf die Unternehmensführung und entwickelten erste konzeptionelle Ansätze zur unternehmenswertorientierten Steuerung des Unternehmens. Unternehmensberater griffen die Ideen auf und übertrugen sie in die Unternehmenspraxis. Amerikanische Beratungsunternehmen wie Stern Stewart, HOLT Planning Associates, The Alcar Group, Strategic Planning Associates (SPA), Marakon Associates und Collard, Madden & Associates (CMA) spezialisierten sich auf die Umsetzung von Shareholder Value-Ansätzen und entwickelten eigene Produkte zur unternehmenswertorientierten Entscheidungsunterstützung, die unter dem Schlagwort „Value Based Planning“ firmieren. Die publizitätsträchtigen freundlichen und unfreundlichen Übernahmen Mitte der 80er Jahre führten zu einer intensiven Diskussion der „neuen“ Denkweise in Nordamerika (wertorientiertes Controlling, Entstehungsursachen).
Der amerikanische Begriff „Shareholder“ ist nach der Grundidee des Ansatzes nicht nur mit „Aktionär“ zu übersetzen, sondern steht generell für den Eigentümer eines Unternehmens unabhängig von seiner Rechtsform. Gerade mittelständische Unternehmer oder Einzelunternehmer stehen vor der Frage, wie sie knappes Kapital effizient verwenden können und den Wert ihres Unternehmens oder ihres Unternehmensanteils erhöhen können. Dennoch ist einzuräumen, dass, wie empirische Studien zeigen, DAX-Unternehmen und börsennotierte Unternehmen dem Shareholder Value-Ansatz ein höheres Gewicht beimessen. Erst nach dem Abflauen der Mergers & Akquisitions-Welle in den USA nach dem Oktober-Crash 1987 gelang der Shareholder Value-Idee der Brückenschlag auf den europäischen Kontinent.
In Deutschland wurde das Shareholder Value-Konzept vor allem durch zahlreiche Veröffentlichungen von Bühner publik gemacht. Einige Großunternehmen, wie z.B. Veba, Daimler-Benz, Siemens oder Kaufhof, erweiterten ihre Unternehmensziele um das Ziel der Schaffung von Aktionärsvermögen und integrierten den Shareholder Value-Gedanken in ihre Unternehmenspolitik und ihre Entscheidungen. Wenngleich, wie empirische Studien zeigten, die Zielsetzung und die aus der Investitionsrechnung und der Unternehmensbewertung bekannte Methodik schnell akzeptiert wurden, zeigten sich erhebliche Defizite in den implementierten Controlling- und Anreizsystemen (Implementierungslücke; wertorientiertes Controllingsystem, sunternehmenswertorientiertes Anreizsystem).
Im wertorientierten Controlling wird der Wert des Unternehmens (Shareholder Value) als Barwert derjenigen Zahlungsüberschüsse (Cash Flows) definiert, der nicht wieder für Investitionen in das Anlagevermögen oder in das Netto-Umlaufvermögen (Working Capital, definiert als Umlaufvermögen / kapitalkostenfreie Passiva) verwendet werden muss. Der verbleibende frei verwendbare Teil der Cash Flows wird als Freier Cash Flow (Free Cash Flow) bezeichnet. Der Free Cash Flow stellt den an den Eigentümer potenziell ausschüttbaren Zahlungsüberschuss dar (Unternehmensbewertung). Auf der Basis der Unternehmensbewertung für Gesamtunternehmen oder einzelne Unternehmensteile, wie z.B. strategische Geschäftseinheiten, wurden
Ansätze, Methoden und Instrumente für ein strategisches und soperatives Wertsteigerungsmanagement entwickelt, das durch geeignete Ansätze der Kommunikation mit den Eigen- und Fremdkapitalgebern (Value Reporting, Investor Relations) sowie entsprechende Anreizsysteme für das Management zu ergänzen ist.